2. Platz Vera Herden

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zeit

Nachdem die WHO am 11. März 2020 die Covid-19 Pandemie bekundete, folgten diverse Anpassungen des öffentlichen Lebens, so auch an den Universitäten und der JGU: Absage aller Prüfungen im März, digitale Angebote im April, monatliche Updates per Rundmails mit neuesten Informationen, Plänen und Hoffnungen.

Nach dem „gewöhnlichen Chaos“ an bürokratischen Institutionen folgte nun das „außergewöhnliche Chaos“ durch einen weltweiten Notstand.

Status Error

Das erste Bild soll den Übergang der Monotonie des „normalen Lebens“ zum „temporären Ausnahmezustand“ festhalten: Die Anzeige eines maschinell und linear geregelten Laufs der Zeit. Hier vor allem das erwartete planmäßige Ablaufen einer vorgegebenen gesellschaftlichen Struktur in postindustriellen Dienstleistungsgesellschaften: Schule, Abitur. Universität, Bachelor. Arbeitsmarkt.

Natürlich verläuft das Leben eines individuellen Studenten selten so glatt; Prüfungsdruck, soziale Kontakte, soziale und gesellschaftliche Erwartungen und Verpflichtungen, finanzielle Faktoren, und die eigene Persönlichkeitsentwicklung färben und beeinflussen Lebensläufe in verschiedensten Weisen. Eigentlich war der normale Alltagswahnsinn schon genug. Eigentlich.

Lächle, es könnte schlimmer sein. Und es kam schlimmer.

Aus Einschränkungen wurden Shutdowns wurden Lockdown. Aus gut gemeinten Updates wurde eine Informationsflut. Monatlichen, teilweise wöchentlichen Updates folgten Updates. Updates folgten Updates folgten Updates. Error.

Neuberechnung. Wird das kommende Jahr auch so…

Car… Cor…

„Hast du das schon mitbekommen?“ – „Hast du das schon gelesen?“ – „Ich muss nochmal gucken.“ Für das zweite Bild habe ich ein Meme weiterverarbeitet, das damals im Herbst 2020 relativ bekannt war: Eine Szene aus dem Spider-Man Film (2002), in der Peter Parker seine Brille auf- und absetzt, weil er ohne besser sieht als mit ehemaliger Sehhilfe.

Hier: Was die meisten Studenten als „normale Studienzeit mit Abschluss und Karriere“ in Aussicht hatten, entpuppte sich zu einem Spießrutenlauf: Aus Career wurde Corona.

Abgesagte Praktika, Volontariate, Nebenjobs und Auslandsaufenthalte inklusive.

It's fine

 

Nach den ersten Wellen der Verwirrung pendelte sich langsam aber sicher eine Art Normalität ein.

Neue Termine wurden ausgemacht, neue Angebote eingerichtet, Online-Kurse bekamen eine Routine.

Doch früher oder später brach das dünne Eis, als die Ansteckungsraten wieder stiegen, wieder Geld fehlte, wieder Unsicherheit ausbrach. Jede Ausdauer hat ihre Grenzen. Und so brechen auch Widerstandskraft und Fassung irgendwann.

Das ist, was im letzten Bild zu sehen ist. Diese bunte Zeichnung zeigt den Moment nach dem monatelangem Versuch optimistisch zu bleiben, den Moment, in dem die Fassade fällt.

Ich

Diese gerade beschriebene drei Beiträge können sowohl einzeln, als auch zusammenhängend gesehen werden. Sie entstanden in kurzer Zeit als Reaktion auf eine Rundmail des FB 07 der JGU.

Mein Name ist Vera Herden, 25 Jahre. Als die Sars-Cov-2 Epidemie ausgerufen wurde war ich in den letzten Zügen meines B. A. Studiums in Kulturanthropologie/Volkskunde mit Nebenfach Kunstgeschichte an der JGU. Nach zwei chaotischen Semestern und mehrmals verschobenen Prüfungen unter Corona-Auflagen konnte ich mein Studium beenden. Seit Winter 2020 konnte ich meinen Nebenjob im Gutenberg-Museum kaum oder nicht mehr ausüben, da Führungen und Workshops nur sehr bedingt möglich sind.

Heute arbeite ich als wissenschaftliche Hilfskraft mit Bachelor (WHB) am Leibniz-Institut für Resilienzforschung und studiere im Master „Science & Technology Studies (STS)“ in Frankfurt – ohne zu pendeln, da alles soweit online läuft.

So lange der Laptop läuft.

 

Hintergedanken

So lange der Laptop läuft.

So lange die Technik funktioniert. Hochladen, nachlesen, aufnehmen.

Kurs-Teilnahme mit Webcam von Zuhause aus. Log in. Join. Unmute. Enable Camera. Noch im Pyjama?

Disable Camera. Egal, sieht ja niemand.

Freiheit oder Kontrolle? Neue Möglichkeiten für digitale Innovationen und individuelle Lernpläne oder neue Formen der technischen Überwachung und gesellschaftlichen Fragmentierung?

Leere Universitäten, verlassene Bibliotheken, einsame Stunden vorm Bildschirm.

Gesellschaftliche Institutionen als Säulen der Disziplinargesellschaft tragen in der Corona-Pandemie nostalgische Erinnerungen. Als Geisteswissenschaftler:in mag jemand vielleicht an Foucaults Disziplinargesellschaft erinnert sein.

In einer Zeit in der die physikalische und soziale Realität bedroht ist, erweist sich sich ein anderer Raum als zunehmend attraktiv: Internet.

Im Cyberspace wird persönlicher Einfluss durch Maschinen geleitet und schafft die geforderte Distanz.

Aus Produktion und Arbeit wird Zugangsrecht und Repräsentation.

Bin ich noch Mensch oder schon Teil der Maschine?

Bin ich noch nackter Zellhaufen oder schon Cyborg?

Bin ich mehr als ein Datensatz mit Namen, Matrikelnummer, innerhalb der zulässigen

Teilnehmeranzahl, mit erreichten Credit Points und bezahlten Semestergebühren, zusätzlich illustriert mit diversen Bild- und Tonaufnahmen aus verschiedenen Online-Plattformen?

Durch ihre Vorbestimmtheit geben begrenzte Infrastrukturen den Grad der möglichen Aktionen und Interaktionen vor. Wir wählen aus vorgegebenen Optionen.

Leiten uns vorgegebene Optionen in eine kalkulierbare Zukunft?

Ref.:

Deleuze, G. (1992). Postscript on the Societies of Control. October, 59, 3 – 7. Retrieved April 8, 2021, from http://www.jstor.org/stable/778828 .

Haraway, D. (1990). A Cyborg Manifesto: Science, Technology, and Socialist-Feminism in the Late Twentieth Century. In: Simians, Cyborgs and Women: The Reinvention of Nature. Routledge, 149 – 181.

Weiner, N. (1950). The Human Use of Human Beings – Cybernetics and Society. (Deutsche Ausgabe: Mensch und Menschmaschine – Kybernetik und Gesellschaft. Alfred Metzner Verlag, Frankfurt a. M. 1952; als Taschenbuch: Ullstein Nr. 184, 1958).